Dienstag, 26. Juli 2016

Wenn Goths versuchen Farbe zu tragen - what a mistake?

Hallo, meine lieben alternativen Menschen!

Heute möchte ich mal etwas zum Thema Farbe und Kleidung mitteilen. Ob Grufti oder nicht: wie sicherlich die Meisten unter euch wissen, tragen Goths Schwarz - immer, nur! Aber ist das tatsächlich so?

Wenn man beginnt, sich für eine Subkultur zu interessieren und gar dafür entscheidet, dazu gehören zu wollen, neigt man oftmals dazu, sich die entsprechenden klischeelastigen Verhaltensweisen, den Kleidungsstil, ggf. die Standard-Szenemusik etc. näher anzuschauen, anzuhören und anzueignen. Das ist sicherlich vollkommen normal und gerade zu Beginn auch hilfreich: kennt man sich doch noch nicht wirklich mit der entsprechenden Subkulur, ihren Werten und Vorstellungen aus - wie auch?  Man möchte erstmal dazu gehören, Anschluss finden und sich daher auch äußerlich als Szeneanhänger erkennbar zeigen.

So war es natürlich auch bei mir. Als ich so langsam anfing, mich mehr in Richtung Goth zu entwickeln, tat ich genau das, was man von einem Teenie, der dazu gehören möchte, erwartet: die Klamotten, die gekauft wurden, mussten schwarz sein. Neue Musik und Accessoires mussten her. Blue Jeans wurden komplett verbannt (immernoch die beste Entscheidung, die ich jemals treffen konnte). Ab und an ging es auch mal in die nächstgrößere Stadt, in der es Bekleidungsgeschäfte mit Goth-Mode und Accessoires gab. Und dort wurde dann fleißig gekauft, solange das Taschengeld es her gab: vom Nietenhalsband bis zur Spitzenstrumpfhose, von Springern bis zur Corsage.
Viele Jahre bestand mein Kleiderschrank quasi ausschließlich aus schwarzer Kleidung. Ab und an fand man ein dunkelrotes oder violettes Stück dazwischen - die tolerierten Grufti-Farben :D. Damals wurde ich mal von jemandem gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn ich mit einem knallroten Pullover durch die Straßen gehen müsste und ob ich mir dann unwohl vorkommen würde. Ich habe ernsthaft über diese Frage nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass ich mich äußerst unwohl fühlen würde. Ich wäre mir vorgekommen, als würden mich die Leute anstarren (was natürlich viel mehr so ist, wenn man ausschließlich Schwarz trägt), als wäre ich nicht ich.

Einige Jahre später begann ich dann hier und da meinen Kleiderschrank durch Teile in gedeckten Farben zu erweitern. Ich weiß auch nicht so recht, wieso. Vielleicht, weil ich in Sachen Goth-Mode nach so langer Zeit einfach alles schon zig mal durch hatte. Unter anderem kam auch daher irgendwann das Interesse am Vintage-Stil, der mir wieder neue und auch, wie ich finde, "erwachsenere" Möglichkeiten bot, mich auszudrücken. 
Meist geht der "Farbvorgang" heute so von statten, dass ich mich für eine Farbe (jenseits von violett und dunkelrot) entscheide, die sich in meinen Augen gut mit schwarz kombinieren lässt und vielleicht auch ein wenig vintage-angehaucht ist - um dann, wenn die Teile in meinem Schrank angelangt sind und ich sie auch schon 5x vorm Spiegel zu Hause an hatte, festzustellen, dass ich mich in schwarz am wohlsten fühle - Farbe empfinde ich zu allermeist tatsächlich als fremd, als Fehler.
Einmal hatte ich den unbändigen Drang, beigefarbige Stücke kaufen zu müssen - ich glaube, das hat ungefähr einen Monat lang angehalten. Danach folgte Rosa - auch wieder aus dem Schrank verbannt. Irgendwann habe ich mir dann angewöhnt, nur noch Accessoires in der entsprechenden Farbe anzuschaffen und zu testen, ob es überhaupt ansatzweise etwas für mich ist. War doch etwas kostspielig auf die Dauer. Ich habe festgestellt, dass es hier und da mit sehr dunklen Farben funktioniert - sparsam eingesetzt. Dunkelbraun, Dunkelrot oder auch mal Dunkelgrau - das sind Farben, die man ab und an mal in meinem Gürtel, meiner Tasche oder meinen Schuhen wieder findet, wenn ich ganz mutig unterwegs und etwas komisch drauf bin, trage ich auch mal ein entsprechenden Cardigan. Tatsächlich erleichtert mir der minimale Einsatz vom Farbe auch das Arbeitsleben - man hat ja nicht immer Lust, gleich auf sein Äußeres angesprochen zu werden - was mir natürlich auf der Arbeit schon passiert ist. Auch hier und da mal Kleidung mit einem Muster im Grundschwarz kann ich mittlerweile gut tolerieren - Leo, beispielsweise. Aber selbst dann komme ich mir oft noch komisch vor.
Am liebsten sehe ich mich komplett in schwarz. Ich weiß nicht - es gibt mir einfach so ein wohles "zu Hause"-/"das-bin-ich"-Gefühl. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es daran liegt, dass ich in entscheidenen und prägenden Jahren nichts anderes getragen habe. Obwohl ich mittlerweile absolut in der Szene und im Leben angekommen bin, obwohl Goth für mich schon lange nicht mehr Aussehen, sondern Einstellung und Lebensgefühl ist - schwarze Kleidung ist mir nach wie vor sehr wichtig. Wenn auch nicht mehr die "Nietenhalsband-Springer-abgewrackte-Strumpfhose"-Variante. Naja, ok - Docs müssen schon ab und an noch sein ;) .

Ich kenne einige Szenemenschen, die im Laufe der Jahre ihren Kleidungsstil auf ein geringes Goth-Maß reduziert haben oder ihn nun mit anderen Stilen kombinieren. Es hat wohl etwas damit zu tun, dass diese Menschen im "echten Leben" funktionieren müssen und nicht jeder Arbeitgeber/KiTa-Leiter/Bankangestellter/Whatever sonderlich tolerant ist. Aber vermutlich haben sie auch einfach ihren eigenen Stil gefunden - dieser muss nicht immer nach Schema F aussehen. Und natürlich gibt es auch nach wie vor viele Menschen, die ihre Szenezugehörigkeit durch Standard-Goth Kleidung, Accessoires usw. ausdrücken wollen - und auch das ist vollkommen ok, Hauptsache wohlfühlen - hier mal wieder mein üblicher Appell an Toleranz auf allen Seiten. Denn der Mensch hinter der "Maskerade" zählt, wie auch immer sie gestaltet ist (ja, ich glaube, alle Menschen "maskieren" sich irgendwie). Und der ist der Gleiche, ob nun im Trad-Goth-Outfit oder im Vintage-Goth-Outfit oder in Blue Jeans oder im Jogginganzug  - wichtig ist doch seine Einstellung, sein Charakter, sein Verhalten. Wer seine schwarze Szene-Kleidung ablegt und meint, dass er nun nicht mehr in die Szene gehört, war wohl nie ein Grufti, genauso wie die, die so über jene Menschen denken.

It's Black Friday hat im Übrigen mal ein nettes Video dazu gemacht, wie man sich als Trad-Goth fühlt, wenn man "normal" auf die Straße gehen muss, sehr lustig und empfehlenwert - und für mich absolut nachvollziehbar!

Das war mein Sermon zum Thema Farbe und Kleidung als subkultureller Mensch. Ich hoffe, ihr fühlt euch unterhalten und vielleicht erkennt sich der ein oder andere von euch ja wieder? Eure Meinung und Erfahrungen hierzu gern in die Kommentare!

In diesem Sinne: Cheerio and stay different!

Eure




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